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ENGLISH TRANSLATION FOR 22.Jul.03-10.Aug.03 IS FOLLOWING (1.Feb.05)
22.07.-25.07.03 Die Ueberfahrt in den Sudan gestaltet sich problemlos. Der alte Dampfer ist zwar etwas ueberladen, Menschen ueberall. Unser Kapitaen steht im traditionellen Gewand auf der Bruecke, und der erste Steuermann sieht aus wie Kojak. Am Grenzverlauf begleitet uns Polizeiboote, waehrend sich die Passformalitaeten -vorab an Bord- mit dem Ausfuellen von nur 2 Formularen ueberraschend unkompliziert gestalten.
Nach knapp 20 Stunden erreichen wir Schwarzafrika. Unter 'Hafen' verstehen die Jungs hier, irgendwo an der Kueste drei Zelte aufzustellen. Natuerlich wieder keine Rampe, auch die aeltesten und gebrechlichsten Buerger muessen ueber duenne Holzbretter und halbmeterhohe Absaetze an Land krabbeln. Uns beunruhigt dieser Umstand schon lange nicht mehr, wir draengen an Bord lediglich darauf, dass die Vespas als erste Fracht herauskommen - bevor uns das bereits bekannte Entladechaos fuer die naechsten Tage keine Chance mehr laesst. Hier wird ebenfalls Null Technik eingesetzt, jeder Sack, jede Kiste wird hunderte von Metern muehsam ueber Stock und Stein geschleppt. Wir fragen uns ernsthaft, warum nicht wenigstens einmal ein einfaches Verladebrett als Rampe gebaut wird - schliesslich kommen hier fast taeglich Schiffe an. Und ein nicht unerheblicher Teil des Warenimportes in den Sudan verlaeuft ueber diese Strecke.
Eine aeltere Sudanesin klaert uns auf: 'Jeder denkt nur an sich und nicht an morgen'. Die gebildete Dame hat in den siebziger Jahren in Rumaenien gelebt und war 1972 bei den olympischen Spielen in Muenchen dabei. Jetzt residiert sie mit ihrem Mann in Lybien, der Sohn studiert in Aegypten. Jan wird von ihr zum Probieren des gebratenen Fisches eingeladen, und bekommt dann noch zwei ebensolche bei bruehender Wuestenhitze spendiert.
Seit unserer Ankunft am fruehen Vormittag ist der oertliche Hiwi, Herr Karman, mit der Beschaffung der Zolldokumente beschaeftigt. Schon das Warten seinerseits auf einen Taxidrive in das naheliegende Wladi Halfa dauert Stunden. Zeit, in welcher wir mehr oder weniger interessiert dem Treiben zuschauen und versuchen, Kontakt zu unseren schwedischen Freunden zu halten. Diese sind als letzte Gaeste in ihrer Kabine auf dem Passagierschiff verblieben, um im (einkalkulierten) Fall der Nichtankunft ihrer Autofaehre im Hafen naechtigen zu koennen. Als sie das Boot am spaeten Nachmittag dann doch verlassen muessen, ist von ihrem Landrover immer noch keine Sicht. Ein Defekt lasse das Schiff erst morgen ankommen. Wahrscheinlich...
Herr Karman laedt uns alle ein, die Nacht in seinem Haus zu verbringen und dazu seinem Taxi zu folgen. Die gute Nachricht: es gibt keine Verkehrsschilder. Die schlechte Nachricht: es gibt auch keine Strassen, wo man diese haette aufstellen koennen. So kommen Jan und Christian am fruehen Abend zu ihren ersten Wuestenkilometern - immer am Heck des vorauseilenden uralten Transport-Landrovers klebend.
Unser oertlicher Guide nimmt uns mit zu seinem Cousin, in dessen Haus heute Abend der erste Tag einer Hochzeit gefeiert wird. Wir werden mit grossem Hallo empfangen und bestaunt - es kam uns zumindest so vor... Das angereichte Festessen wissen wir erst spaeter zu schaetzen, die Menschen hier sind recht arm. Umso bedeutender, dass fuer die Hochzeit zwei Ziegen geschlachtet werden - direkt vor Christian's Vespa. Kein schoener Anblick. Zwei Metzger weiden die Tierchen fachgerecht aus, nach einer Stunde erinnern nur noch ein paar Knochen an das vergangene Leben.
Direkt hinter dem Haus beginnen die Vorbereitungen zum Tanz. Ein seltenes Ereignis, dem die jungen Leute entgegenfiebern, wie sie uns versichern. So etwas wie eine Bar oder gar Diskothek sind im islamischen Sudan zumindest auf dem Dorf unbekannt. Auf dem grossen Dorfplatz werden zwei fette Lautsprecher aufgehaengt, ueber die der obligatorische Live-Saenger seine Waisen zum besten geben wird. Die Dorfaeltesten sitzen auf einer Seite, der Rest der maennlichen Dorfbewohner muss stehen. Uns und den Schweden werden als Ehrengaeste ebenfalls Stuehle angeboten, welche uns abzulehnen nicht erlaubt wird. Insbesondere die beiden Schwedinnen gestalten sich als Attraktion - die kleinen Kinder koennen es nicht lassen, die blonden Haare zu durchkaemmen. Auch die verstohlenen Blicke der Maenner bleiben uns nicht verborgen. Vier uralte Frauen eroeffnen dann den Tanz. Mit trippelnden Schritten bewegen sie sich langsam auf und ab, nach einiger Zeit gesellen sich die juengeren Frauen dazu. Schliesslich bewegen sich auch die Maenner von der gegenueberliegenden Seite langsam auf die Frauen zu, insgesamt vermischt sich die ganze Mischpoke nur selten. Lediglich der Braeutigam und einige moderne Maenner 'aus der Stadt' lockern die Gebraeuche auf. Christian wird zur eigenen Ueberraschung von seinem Gespraechspartner auf die Tanzflaeche geschleppt und muss mit ihm gemeinsam absteppen. Das Hand-in-Hand halten und staendige gegenseitige Angrabbeln der Maenner untereinander ist gewoehnungsbeduerftig, aber landesueblich. Zu Christians Glueck hat er ein lockeres Kerlchen erwischt, welcher mit ihm laut schreiend durch Maennchen und Weibchen huepft, diese mit Parfuem besprueht und dabei mit den Fingern schnippt. Auch Jan und ein Schwede muessen auf die Tanzflaeche und schlagen sich wacker. Punkt 11 Uhr bricht die Musik auf dem Hoehepunkt der Versammlung ab - eine gesetzliche Regelung. Die Glaubensgesetze werden hier so ausgelegt, dass kein Tanzen nach dieser Zeit erlaubt ist.
Im Haus unseres Gastgebers werden erneut Speisen und alkoholfreie Getraenke wie Tee und Wasser gereicht. Um Mitternacht faellt ploetzlich der Strom aus. Die Leute sind unvorbereitet, Kerzen werden organisiert. Zu unserer Ueberraschung erfahren wir, dass hier jeden Tag um 24 Uhr die Energie abgeschaltet wird - das zustaendige E-Werk produziert nicht genug. Fast alle Dorfeinwohner schlafen draussen. Nach dem heutigen Tag finden wir es fast frisch und sind erstaunt, als das Themometer immer noch 38 Grad anzeigt. Uns werden zwei Betten im Garten angeboten, und wir bestaunen einen Sternenhimmel, wie wir ihn noch nie gesehen haben. Sogar der Nebel der Milchstrasse ist klar zu erkennen.
Am naechsten Morgen heisst es, die Wueste zu bezwingen. Auch mit Stollenreifen ein schwieriges Unterfangen. Lange, weiche Sandpassagen machen uns das Leben schwer. Eine Fahrbahn bzw. Piste ist nicht zu erkennen, wir ackern ueber Duennen und schlingern durch die Graeben. Von unseren nordischen Freunden erfahren wir, dass ihr Auto immer noch nicht da ist und keiner sagen kann, wann und ob es kommt. Sie wirken ziemlich niedergeschlagen, und wir bedauern es, ihnen nicht helfen zu koennen. Uns zieht es weiter gen Sueden. In einem Dorf treffen wir voller Erstaunen einen Vespafahrer. Sich in der Wueste einen Roller anzuschaffen, laesst unserer Meinung nach am Geisteszustand zweifeln... Schliesslich stehen wir vor einer schwierigen Entscheidung. Wir koennen zwischen zwei Routen waehlen, aber auf beiden Routen liegen Teilstuecke, welcher zur Regenzeit von Ende Juni bis September gemaess Travelguide 'unpassierbar' ('Durch Afrika', Reise-Know-how Verlag) sein koennen. Unpassierbar wohlgemerkt fuer Gelaendefahrzeuge! Im suedlichen Sudan und in Aethiopien haben wir noch etliche Kilometer auf solchen Pisten vor uns. Alle Fernreisenden und Einheimischen raten uns dringend davon ab. So entschliessen wir uns schweren Herzens, ein Stueck mit der Eisenbahn zurueck zulegen, zumal wir in Aegypten waehrend unserer Wartezeit mehrere Tage verloren haben. Wir treffen einen franzoesischen Mitsubishi-Pajero-Fahrer, welcher in Tansania drei Jahre als Botschaftsmitarbeiter gearbeitet hat und nun auf dem Landweg nach Hause faehrt. Seine CD-Kennzeichen hat er abgeschraubt, da fuer diese in Tansania nur unter erheblichem Aufwand das erforderliche Zolldokument 'Carnet de Passages' zu beschaffen gewesen waere. Stattdessen ist er mit alten franzoesischen Kennzeichen unterwegs. Er macht uns nicht gerade Mut: auf den Strecken, welche wir noch vor uns haben, ist ihm 3mal der Stossdaempfer gebrochen und einmal die komplette Aufhaengung in der Karosserie gerissen - die afrikanischen Reparaturen seien unter abenteuerlichen Umstaenden (wichtigstes Werkzeug hier: ein grosser Hammer) erfolgt.
Wir trennen uns, um die Roller zu verladen. Dass auch dieser Teil der Reise spannend werden wuerde, ahnen wir, als Jan seinen Roller komplett auseinander muss, um die einzelnen Bestandteile zwecks Gesamtgewichtsermittlung auf eine uralte Waage zu verfrachten. Dieses zur Fahrpreisermittlung ausgefuehrte Prozedere wird Christian dann zum Glueck erspart, es wird das Gewicht von Jan's Roller samt Gepaeck zugrunde gelegt. So erfahren wir unser Gesamtgewicht: circa 310 Kilo mit Mann und Maus, welche wir ueber Stock und Stein bewegen. Zu unserer Ueberraschung gibt es eine Art Verladerampe. Ueber ein Stueck Eisenbahnschiene werden die Fahrzeuge hoch in den Gepaeckwagen verfrachtet - eingeklemmt zwischen allerlei Geruempel. Der Zug ist erfuellt uns hohen Erwartungen voll und ganz: die Wagons sind mindestens 60 Jahre alt, in urspruengliche 6 Mann-Abteile werden in der 2. Klasse 8 Leute eingecheckt. Wir sind die einzigen Weissen an Bord, die Bahn ist afrikagemaess ueberladen. In jede noch so freie Ecke werden Gepaeckberge gestopft, welche die Leute aus Kostengruenden nicht als Verladegut anmelden wollen.
Die erste Klasse ist ausgebucht, in der dritten Klasse ist es besonders eng. Der Zug bewegt sich mit niedriger Geschwindigkeit vorwaerts, was angesichts der schwankenden Wagons auch erforderlich erscheint. Zeitweilig befuerchten wir zu kippen... Es sind ueber 50 Grad, auch nachts herrscht eine enorme Hitze. Unsere Mitreisenden stellen sich als ausserordentlich nett heraus. Allerdings wird uns allen fast schlecht, als der 7. Mann das Abteil entert - offensichtlich ein Kameltreiber ohne Zugang zu Waschmoeglichkeiten. Hyghiene wird generell nicht grossgeschrieben: auf den verdreckten Toiletten gibt es trotz der Hitze kein Wasser, die 'grossen Geschaefte' fallen direkt aufs Wagenrad und die Reste verbleiben an Ort und Stelle. Entsprechend potenziert sich der Gestank ins Unermessliche - zumindest fuer europaeische Nasen. Und als Jan dann in der schwankenden Toilette ohne Licht seiner Notdurft (jetzt wissen wir, woher das Wort kommt!) nachkommen will, wird er ploetzlich von einem grossen Hahn angefallen, den jemand in einem Karton abgestellt hat. Poor guy...
Unsere Mitreisenden sehen uns an, dass die Reiseoptionen fuer uns etwas gewoehnungsbeduerftig sind, und bieten in ruehrender Art Platz, Essen und Getraenke an. Die Fenster sind leicht geoeffnet, um etwas Wind hereinzulassen, tragen aber andererseits Berge von Sand herein. Die Leute liegen ueberall kreuz und quer, das Schlafen faellt uns schwer. Insbesondere Christian piesacken Durchfall und Magenbeschwerden. Jan's Brille ist nach kurzem Wegnicken voellig versandet, wir sehen uns voellig resigniert an.
Mitten in der Nacht stoppt die Bahn. Nichts ungewoehnliches, doch gleichzeitig faellt das Licht aus. Unruhe bricht aus, und nach kurzer Zeit stellen wir den Grund fest: der Zug brennt. Im vorderen Bereich ist ein grosses Feuer auszumachen. Ploetzlich sind wir die einzigen im Abteil. Unter dem Motto 'Ruhe bewahren' raeumen wir unsere Sachen zusammen, schliesslich koennen wir fast nichts entbehren. Die erste Fluchttuer ist verschlossen, nach kurzem Suchen finden wir einen Ausgang. Dort ist das ganze Ausmass des Vorfalls zu erkennen: die Lok steht in Flammen und brennt komplett aus. Jan macht heimlich ein Foto, fotografieren ist im Sudan ausserhalb privater Anlaesse fast ueberall verboten, und selbst fuer die wenigen erlaubten Faelle benoetigt man eine besondere Genehmigung, welche wir erst in der Hauptstadt Khartoum erhalten. Ein Sudanese ist unvorsichtiger und fotografiert offen. Sofort struerzen sich etliche Bahnangestellte auf ihn, um Kamera und Film zu konfiszieren. Jan verkruemmelt sich unauffaellig, was sich fuer einen Mitteleuropaer durchaus schwierig gestaltet. Wie uns der Ungluecksrabe spaeter erzaehlt, ist er nur nach Zahlung eines erheblichen Bakschisch aus der Sache rausgekommen. Der Mann lebt in Aegypten und war zum ersten Mal nach 10 Jahren wieder in seinem Geburtsland - daher die Unkenntnis der hiessigen Verhaeltnisse, von denen wir schon gelesen hatten. Wie wir ausserdem einige Tage spaeter erfahren, sind vor zwei Jahren aufgrund der vergitterten Fenster bei einem groesseren Zugbrand zahlreiche Personen gestorben.
So sitzen wir denn mitten in der Wueste und beobachten die Feuerloescharbeiten. Ein von irgendwoher gekommen Pickup hat drei Feuerloescher geladen. Der erste funktioniert nicht, der zweite ist leer. Den dritten haelt er schliesslich mitsamt seinem Kopf in den bereits teilgeloeschten Motorraum - um mit schneeweisser Birne wieder herauszuspringen. Die Gueter- und Personenwagen wurden schon kurz nach dem Zugstillstand einzeln abgehaengt und von zahlreichen Passagieren von der brennenden Lok weggeschoben, um ein Ueberspringen des Feuer (erfolgreich) zu verhindern. Die Stunden vergehen, wir kochen uns eine Bruehe, um Christian's Magen wieder aufzupaeppeln. Schliesslich kommt eine Lokomotive, welche unsere ausgebrannte Zugmaschine abschleppt. Da die Spur einschienig ist, dauert es entsprechend, bis eine Ersatzlok die Weiterfahrt ermoeglicht. So landen wir dann am Freitag mit einigen Stunden Verspaetung in Khartoum an, um zu erfahren, dass die Gepaeckwagen heute nicht entladen werden. Es ist der Feiertag der Moslems, Samstag und Sonntag sid normale Arbeitstage. Unser Betteln, Flehen und Drohen (...da sind lebenswichtige Medikamente im Roller...) hilft nicht, die Religion geht vor. Auch auf unser Schmiergeldangebot reagiert der Transportchef aeussert ungehalten: 'I never take money ... people who do this have a bad mind'. Sudanesen lassen sich eben generell nicht schmieren, wir waren schon verwundert, dass der einheimische Fotoboesewicht (s.o.) das geschafft hat.
So stehen wir auf dem verlassenen Bahnhof. Freundlich wie sie sind, bietet uns ein Einheimischer spontan seine Hilfe an. Er spricht englisch, besorgt uns ein Taxi und sucht mit uns das Hotel, das als Treffpunkt der Traveler bekannt ist und in welchem wir absteigen wollen. Die Anschrift ist in der Vespa, wir wissen nur, dass die Inhaber Griechen sind. Also fahren wir auf Insperation unseres Begleiters hin zur griechischen Botschaft, und tatsaechlich kennt ein Mitarbeiter die Unterkunft. Auf dem Fussweg besorgen wir uns noch Unterhose und Hemd (Christian, zusammen umgerechnet ca. EUR 4) bzw. einen Umhang (Jan, EUR 5,50). Vor dem Hotel steht ein Toyota-Landcruiser mit suedafrikanischen Nummernschildern und, zu unserem grossen Erstaunen, einem grossen Aufkleber 'Capetown-Hamburg 2003'. Die Jungs spulen unseren Weg in umgekehrter Richtung ab!
Leider sind die Fahrer nicht auffindbar, wir werden es morgen versuchen. Unser erster Weg fuehrt ins Badezimmer: wir duschen jeweils eine geschlagene halbe Stunde, in welcher die Dusche ununterbrochen braun gefaerbt ist. Die Wueste hat ihre Spuren hinterlassen. Totmuede fallen wir in Betten, eine Klimaanlage erleichtert den Schlaf.
26.07.03 Am naechsten Morgen die gute Nachricht: unsere skandinavischen Freunde haben ihren Landrover kurz nach unserer Abfahrt in Wladi Halfa wiederbekommen und sind ebenfalls in Khartoum eingetroffen. Trotz genauer GPS-Daten haben sie unser Hotel waehrend der naechtlichen Ankunft knapp verfehlt und wohnen 50 Meter weiter.
Zwischenzeitlich haben wir Garry von ‚Capetown-Hamburg 2003' kennengelernt. Ein sympathischer Suedafrikaner, der gemeinsam mit seiner Frau die Firma ‚Masazane Tours' (s. Links) betreibt und Safari's durch das suedliche Afrika veranstaltet. Zur Zeit ist er mit einem Stammkunden, Hermann aus Hamburg samt Ehefrau, ungefaehr auf unserer Route in entgegengesetzter Richtung unterwegs. Hermann faehrt einen dicken Toyota-Landcruiser Station Wagon, telefoniert + surft stundenlang per Satellitentelefon und hat alleine in Tansania USD 32000 fuer den Trip gelassen. Neja, es will nicht jeder so aermlich leben wie wir. Garry gibt uns und den Schweden fundierte Tipps, wir lauschen lange seinen Afrika-Erfahrungen. Unsere Empfehlung fuer Eure naechste Safari!
Den restlichen Tag ueber holen wir wider den medizinischen Erkenntnissen Schlaf nach. Zum Aktualisieren der Internetberichte koennen wir uns nur fuer die Beschreibung von 2 Tagen aufraffen. Wir schaffen es nicht einmal, das Zusammentreffen von weissen und blauen Nil in Khartoum zu bewundern... Das griechische Essen dagegen mundet, endlich nicht nur Bohnen.
27.07.03 Am naechsten Morgen zieht es uns weiter. Von Khartoum fahren wir ueber vertretbare Asphaltstrassen oestlich in Richtung Aethiopien. Auf der Landstrasse geht es ab der Stadtgrenze heiss her, die Leute ueberholen wie von Sinnen. Entsprechend passieren wir einen Unfall, zwei Pick-ups sind frontal ineinandergekracht. Beide Autos auf den Ladeflaechen natuerlich mit zig Beifahrern beladen, entsprechend schlimm die Szenerie.
Danach kommen wir gut voran, gegen abend haben wir die Landstrasse gemeinsam mit ein paar Truckern fuer uns alleine. Die meist aelteren LKW's passieren wir mit unseren hundert Sachen Spitze locker. Im Sudan machen wir uns um unsere Sicherheit keine Sorgen und campieren entsprechend mitten auf einem Feld neben der Road.
Problemlos: Feldcamping im Sudan
28.07.03 Weiter gehts auf Asphalt, doch wir ahnen: dessen Ende naht. Ab Gedaref beginnt die Piste, 160 km bis zur aethiopischen Grenze. Erst mal bleiben wir auf offenem Feld in dickem Morast stecken, zum Glueck nur ein Umweg innerhalb der Stadt. Die Schweden erzaehlen uns spaeter, dass sie fuer die circa 4km Strecke fuenf Stunden und etliche Helfer benoetigt haben...
Der Morast sorgt fuer einen `guten` Schnitt
Auf der eigentlichen Piste starten wir durch: was sich seit der Tuerkei an Strassenzustand abgezeichnet hat (halbmetertiefe Loecher, ploetzliche Unterbrechungen, fehlende Gullideckel, Wellen und Spurrinnen von Feinsten, selten Warnschilder, chaotischer Verkehr von allen Richtungen), wird hier endlich zur Vollendung getrieben. Trotzdem schreddern wir mit 40-70 Sachen offroad, die Roller (und wir) werden gequaelt und durchgeschuettelt.
Der Beginn von 1.000 Kilometern ohne Strasse
Wir kommen gut vorwaerts, auch einsetzender Regen kann uns nicht stoppen. Eine leichte Fehleinschaetzung, wie sich herausstellt. Denn urploetzlich aendert sich der Untergrund von fest auf matschig, Jan kann gerade noch dem einzigen Baum auf weiter Flur ausweichen. Christian landet hinter ihm im Matsch, Roller und Fahrer erleiden aber ausser einem hohen Verdreckungsgrad und einer Schramme an der linken Hand keine groesseren Schaeden.
Kann man, muss man aber nicht: schwarze Vespa in den Dreck geworfen
Etwas vorsichtiger fahren wir weiter, gegen spaeten Nachmittag stoppt die Reise. Was uns und alle Offroadfahrer aufhaelt? Ein reissender Fluss, an dem gerade Brueckenbauarbeiten stattfinden. Nur leider: es gibt keine Alternativueberfahrt. Der Regen hat den Pegel dermassen ansteigen lassen, dass eine Flussdurchquerung fuer jedermann unmoeglich wird. Auf unsere Frage, wann es den weitergeht, erhalten wir nur Kopfschuetteln und Mutmassungen. Voellig verzweifelt stehen wir an dem Gewaesser und fragen uns, wielange wir hier wohl verharren muessen. Die ganze Piste ist aufgeweicht. Nuetzt nichts, wir muessen mitten im Matsch unser Zelt aufbauen. Wir campen leicht abschuessig und befuerchten deshalb, bei erneut einsetzendem Regen mit unserer Behausung wegzurutschen oder zumindest abzusaufen. Jan graebt mit seinem Klappspaten einen Graben, wir schmeissen den Kocher an und fallen nach einer Bruehe totmuede in die Pofftueten. Die naechtlich fortgesetzen Arbeiten an der Bruecke bieten uns die `Kleine Nachtmusik`‚ zeigen aber auch, wie wichtig die Ueberfahrt ist. Der Transport auf beiden Seiten ist zum Erliegen gekommen.
29.07.03 Morgens sieht es schon besser aus. Die Pegelhoehe hat stark abgenommen, die ersten Pick-Ups wagen die Flussdurchquerung. Fuer unsere Roller ist es immer noch zu tief, ausserdem ist die Stelle mega-matschig. Afrika lernt uns, unkonventionelle Methoden zu ergreifen: wir fragen die Bauarbeiter, ob sie uns nicht samt Vespa mit dem Bagger uebersetzen koennen. Gesagt, getan, schon sitzt Jan mit seiner Vespa in der Baggerschauffel und wird auf die gegenueberliegende Seite verbracht. Leider gibts davon kein Foto, da Christian seinem Roller ebenfalls aus dem Schlamm ziehen muss, um auf den Bagger vorbereitet zu sein. Doch dann passiert ersteinmal garnichts mehr: Christian steht auf der einen Uferseite, umringt von den Anwohnern des an der Piste liegenden Dorfes - und Jan auf der anderen, ebenfalls umgeben von zahllosen Kindern. Die beiden koennen sich kaum sehen, eine verbale Kommunikation ist aufgrund Entfernung und Umweltkrach eh nicht moeglich. Jan verteilt drei Bonbons, welcher unter lauten Begeisterungsschreien durch die Muender der kleinen Racker wandern. Jeden darf mal kurz lutschen, wohl eine willkommene Abwechslung in dieser laendlichen, armen Umgebung.
So vergeht eine Stunde, in welcher der Bagger unabkoemmlich scheint. Schliesslich gelingt es Jan, einen Pick-Up aus der Baukolonne loszueisen. Viele helfende Haende verfrachten Christians Roller recht rabiat auf die Ladeflaeche, und nach 200 Metern sind unsere Reisenden wieder vereinigt.
In die Regenzeit geraten
35 Kilometer und 3 Stunden weiter sind wir an der Grenze zu Aethiopien. Es gibt keinen Schlagbaum und keine erkennbare Grenze, die beiden Grenzdoerfer gehen ineinander ueber. Deren Einwohnern koennen sich ohne Kontrollen hin und her bewegen. Ein junger Luemmel ist des Englischen recht gut maechtig und erklaert uns, in welchen `Haeusern` Zoll und Passamt stecken. Am meisten beeindruckt das aethiopische Passamt: eine Lehmhuette zwischen vielen, ein Schreibtisch, drei Stempel, kein Strom. Unsere junger Guide laesst uns noch wissen, dass das eigentliche aethiopische Zollamt erst in einem Dorf in 35 Kilometern Entfernung liegt. Er tauscht uns 50 Doller zu einem hundsmiserablen Kurs und verlangt ein nicht geringes Baschisch fuer seine Hilfe. Wir merken, dass wir nicht mehr im Sudan sind.
Der Zustand der Piste schwankt. Zuerst erscheint es uns, als ob jener besser als im Nachbarland waere, doch schnell korrigieren wir uns. Trotzdem erreichen wir zuegig das betreffende Zollamt, doch es ist kein Beamter da. Auf Nachfrage wird uns erklaert, dass dieser in `10 Minuten` eintreffe. Diese Antwort erhalten wir ueber 2 Stunden, bis Jan sich schliesslich gemeinsam mit einem Dorfbewohner auf die Suche macht, um den Stempelmeister schliesslich in einer Bar aufzutreiben. Christian uebernimmt die Zollformalitaeten, waehrend Jan unter 1000 Fliegen und zahlreichen Dorfeinwohnern die Roller bewacht. Wir werden permanent angebettelt, die Menschen sind einfach bettelarm. Steinhaeuser bilden die Ausnahme, die meisten Personen wohnen in Blech- und Lehmhuetten. Der junge Beamte aus der Hauptstadt Addis Ababa verflucht seine Versetzung in dieser Ecke und fuellt zahlreiche Formulare aus, welche eindeutig EU-insperiert aussehen. Haben die auslaendischen Buerokratien in diesem bitterarmen Land nichts wichtigeres zu beschicken? Wir zahlen 1 US-Dollar Gebuehr (zahlbar in US-Waehrung) und krabbeln langsam bergauf ins Hochland.
Die Piste wechselt zwischen mittel und katastrophal. Schlimmer jedoch es ist, dass es ueberall von Menschen wimmelt, welche uns neben aggressivem Betteln mit ‚in den Roller laufen'; an uns herumziehen; uns bespucken; uns mit Steinen bewerfen und uns boese Blicke zuwerfen drangalisieren. Wir erleben natuerlich auch Menschen, welche uns zuwinken, aber sowie Dreistheit und Unfreundlichkeit wie in diesem Land ist uns noch nie begegnet. Auch der von anderen Individualreisenden bereits beschriebene Laermpegel durch Anbruellen der Passanten ist unbeschreibbar, wobei der Wortschatz zu 99,9 Prozent aus `Money money money`, `Where are you going` und `You you you` (hier ausgesprochen: joo joo joo) besteht.
So sind wir ausgesprochen dankbar, als wir ueber Stock und Stein crossend ab von der Piste ein kleines, ausgesprochen schoenes Tal finden, in welchem wir uebernachten. Insgesamt nur 3 Personen beehren uns mit ihrer Anwesenheit. Alle drei sind Hirten, welche uns zurueckhaltend und interessiert beobachten. Alleine ist man in diesem Land jedenfalls nie, aber heute nacht ist es lediglich scheinbar 1000 Froesche, welche Randale veranstalten. Fuer den technisch interessierten Leser noch die Anmerkung, dass wir ins Hochland krabbeln und zwischenzeitlich auf 114er Beduesung gewechselt haben.
30.07.03 Als wir morgens vom Voegelgezwitscher erwachen, scheint sogar ein wenig die Sonne. Wir beginnen mit der morgendlichen Routine und werden dabei aus einiger Distanz aufmerksam von zwei der bereits erwaehnten Kuhhirten beobachtet. Die beiden sind augenscheinlich ziemlich fasziniert von unserem kleinem gelben Haus, welches man noch kleiner zusammenpacken kann. Als Abschiedsgeschenk ueberreichen wir den Beiden Knackfroesche und ziehen von dannen. Im naechsten Dorf treffen wir auf einen Landy mit suedafrikanischem Kennzeichen, der aus Richtung Sueden kommt. Wir gesellen uns zu den beiden Fahrern, um die neuesten Information ueber Strassenzustaende und aehnliches zu erhalten. Der eine kommt aus Holland, der andere aus den USA. Was sie uns berichten, ist nicht wirklich aufmunternd, die Strassen gehen so weiter wie bisher und angeblich (ist so, wir wir noch feststellen werden) wird man in manchen Doerfern mit Steinen beschmissen. Wahrend uns diese Hiobsbotschaften uebermittelt werden, haelt noch ein zweiter Landy, der ebenfalls Richtung Norden faehrt. Die beiden, uebrigens auch Hollaender, bestaetigen leider die Geschichten der beiden Anderen. Nun tauschen wir noch so einige Tipps aus, welche Hotels, Campingplaetze und Strassen besonders toll oder schlecht sein sollen und verabschieden uns wieder in unsere jeweiligen Richtungen.
Leider werden wir immer langsamer, da wir immer hoeher kommen und die Roller viel zu fett laufen. Als Christians Roller irgendwann eine Steigung nicht mehr schafft, entschliessen wir uns wohl oder uebel die Roller noch kleiner abzuduesen. Wir bauen also, unter den neugierigen Augen der Umherstehenden, die kleineren Duesen (112er) ein und hoffen, das es hilft. Leider bleibt es bei der Hoffnung, und zu allem Ueberfluss beginnt es auch noch stark zu regnen. So stellen wir also unsere Roller nebeneinander auf, spannen eine Plane darueber und hocken uns darunter, um nicht allzu nass zu werden und unsere Moeglichkeiten zu ueberdenken. Waehrend wir zusammengekauert unter der Plane hocken (ein Bild des Elends), haelt auf einmal ein Auto neben uns. Es sind die Schweden, welche wir vor ein paar Tagen in Khartoum verlassen haben. Sie laden uns erst einmal zu sich ins Auto ein und wir tauschen die Neuigkeiten der letzten Tage aus.
In Europa wuerde man hier wohl von `Offroad` sprechen
Auch dem Land-Rover macht die zunehmende Hoehe zu schaffen, sodass der Motor die ganze Zeit laeuft, weil sonst die Gefahr besteht, das er schlecht oder ueberhaupt nicht mehr anspringt. Trotzdem bieten uns die Schweden an, Christians Gepaeck mitzunehmen. Also laden wir um und setzen unsere Fahrt fort und siehe da: Christians Roller kommt die Steigungen so halbwegs wieder hoch. Nach ca. 20 Kilometern stoppen die Schweden, da irgendetwas mit ihrer Federung nicht stimmt. Karl und Frederick beginnen im stroemenden Regen, die Blattfedern hinten rechts auszubauen und stellen fest, dass ein Bolzen zur Fixierung der Federn gebrochen ist. Derweil fangen Tessa und Sophie an, zu kochen und laden uns zum Essen ein, was wir dankbar annehmen. Als sich abzeichnet, dass es noch etwas laenger dauert, beschliessen wir schon einmal vorzufahren, da wir nicht im dunkeln fahren wollen und die naechste Stadt, Gonder, noch ca. 70 Kilometer entfernt ist. Wir verabreden uns im Hotel `Fasi`-irgendwas, welches uns die Hollaender am Morgen empfohlen haben. Wir lassen die Schweden zurueck und machen uns auf den Weg nach Gonder. Drei Stunden spaeter kommen wir in der Kleinstadt an und checken im Hotel `Fasiledes` ein. Dann warten wir auf die Schweden. Wir warten den ganzen Abend und gehen leider unverrichteter Dinge ins Bett.
31.07.03 Wir werden von dem Regen, welcher auf das Wellblechdach unseres doch sehr einfachen Hotels prasselt, geweckt und stellen fest, dass die Schweden immer noch nicht da sind. Nach dem Fruehstueck macht sich Jan auf die Suche nach den Schweden und Christian bleibt im Hotel, um seinen Vergaser und Luftfilter zu reinigen. Jan faehrt zunaechst zu der Zollstation am Anfang der Stadt, um die Zoellner zu fragen, ob dort ein Land-Rover aus Schweden durchgekommen ist. Der Beamte dort ist seit morgens auf dem Posten und hat noch keine Schweden im Land-Rover gesehen. Darauf hin macht Jan sich auf den Weg in die `Innenstadt`, um dort nach den Schweden zu suchen. Auf dem Marktplatz angekommen, stuerzen sich ganze Horden von Jungen auf Jan. Zunaechst glaubt er wieder an die ueblichen Rituale, als er jedoch auf den Pullovern von ein paar der Jungs schwedische Flaggen erblickt, wird ihm klar, dass es dieses Mal wohl anders ist. Und tatsaechlich die Schweden haben die Jungs beauftragt, nach uns Ausschau zu halten. So springt also einer der Jungen hinten bei Jan auf die Vespa und fuehrt ihn zu dem Hotel der Skandinavier, doch leider haben sie schon ausgecheckt. Aber sie haben eine Nachricht hinterlassen, dass sie zu einer Pension gefahren sind. Entsprechend faehrt Jan mit seinem neuen Sozius zu dieser Unterkunft und findet dort... ebenfalls keine Schweden. Aber wieder eine Nachricht. So faehrt er also zum naechsten Hotel, und dort? Genau. Wieder keine Schweden und dieses Mal leider auch keine Nachricht. Erneut zurueck am Dorfplatz, stuerzen wieder eine Handvoll Jungs auf Jan ein mit der Botschaft, dass sie jetzt wuessten, wo die Schweden sind. Jan wechselt den Sozius und faehrt mit ihm los: siehe da, die Schweden stehen an einer Tankstelle und wechseln Oel.
Wiedersehensfreude auf beiden Seiten. Schnell ist auch geklaert, woran es gehapert hat. Die Schweden sind im Hotel `Fasil` abgestigen und wir im `Fasiledes`. Wir beschliessen, uns an unserem Hotel zu treffen um dann gemeinsam weiterzufahren. Jan faehrt zum Hotel zurueck, um Christian die freudige Botschaft mitzuteilen und kurz darauf treffen auch schon die Nordlichter ein. Die beiden Rollerfahrer packen schnell ihre Sachen zusammen, waehrend die vier Schweden noch eine Cola trinken. Schon bald macht man sich gemeinsam wieder auf die Fahrt.
Nach ca. 60 Kilometern muessen wir leider feststellen, dass wir falsch abgebogen sind, obwohl wir uns erkundigt hatten. Wohl oder uebel drehen wir wieder um und arbeiten uns nach Gonder zurueck. Bei dieser Gelegenheit verliert Jan seine Regenhose, sodass er ab jetzt die Regenzeit in vollen Zuegen geniessen kann. In Gonder finden wir dann doch noch den richtigen Weg und setzen nun unsere Fahrt in Richting Hauptstadt fort, welche bis in den Abend dauert und in einem Bushcamp muendet.
01.08.03 Morgens wachen wir mitten in Afrika im Zelt auf und werden durch schwedische Unterhaltung geweckt - bizarr. Nachdem wir gefruehstueckt haben, brechen wir unser Lager ab und fahren weiter. Zunaechst laeuft es auch ganz gut und wir kommen fix voran, weil die Pisten einigermassen trocken sind. Doch ploetzlich wird die Strecke extrem lehmig und nass. Das sind Voraussetzungen, die fuer uns so eine Art worst case darstellen, da sich die Piste nun in eine unbeschreibliche glitschige Matschwueste verwandelt. Wir kommen kaum vorwaerts, weil wir uns immer wieder festfahren oder einfach nur wegrutschen. So schleichen wir dann mit maximal 10km/h unter hoechster Konzentration und Anstrengung dahin. Das waere eigentlich schon anstrengend genug mit einer unbeladenen Vespa, aber um dem Ganzen noch die Krone aufzusetzen, werden wir auch noch von Kindern behelligt, welche entweder Geld einfordern und, wenn sie keines bekommen, mit Steinen schmeissen oder an den Rollern herumreissen. Das Schlimme daran ist, dass kein Ende abzusehen ist. Wir fuegen uns also unserem Schicksal und hoffen auf ein baldiges Ende. Christian versucht, dem Schlamm zeitweilig zu entgehen, indem er neben der Piste auf einem kleinem Trampelpfad im Rasen faehrt. Mit dem Erfolg, dass er auf einmal in einem kleinem See steht und wir denn Roller wieder auf die Piste wuchten muessen. Das Ende oder besser gesagt eine Unterbrechung kommt dann auch ganz ueberraschend, als Jan seinen Roller von sich schmeisst. Beide (Jan und Vespa) sind zum Glueck wohlauf, da man bei 15km/h im Matsch recht weich landet. Was ist geschehen? Ganz einfach. Der nasse Lehm hat sich zwischen Vorderreifen und Gabel festgesetzt, sodass es einfach blockiert hat und somit der ganze Roller wegrutscht. Wie gesagt, zum Glueck ist nichts passiert und wir befreien erst einmal unsere Vorderreifen vom Lehm, damit so etwas nicht wieder passiert.
Weggerutscht: Vespa...
...blockiertem Vorderrad
Gluecklicherweise sind wir wenig spaeter mit dieser besonders aufgeweichten Piste durch - sie hat die Rekordzeit von 4 Stunden fuer ca. 3 Kilometer in Anspruch genommen. Kurz darauf erreichen wir Bahir Dar und stellen beim Tanken fest, das Christian unbedingt seinen Hinterreifen wechseln muss. Zwischen Auspuff und Reifen hat sich Lehm gesammelt, der die Laufflaeche des Reifens stark dezimiert hat. Das hoert sich zunaechst etwas merkwuerdig an. Aber dadurch, dass es am Auspuff sehr heiss wird, trocknet der Lehm, wird sehr hart und kann so den sich drehenden Reifen `wegschmirgeln`.
Nachdem wir unter sehr grossem Publikum bei Christian die Reifen gewechselt und die Schwedenjungs ihren Landy befingert haben, gehen wir noch in ein Cafe und futtern lecker Gebaeck. Frisch gestaerkt gehen wir wieder ans Werk und verlassen Bahir Dar. Abends campen wir wieder abseits der Strasse und sitzen noch lange schnackend mit den Schweden unter dem Sonnensegel, dort Regensegel, des Landys. Im Laufe des Abends kommen 3 Maenner vorbei und gesellen sich zu uns. Zunaechst finden wir auch nichts weiter dabei, schliesslich haben wir solchen Besuch durchaus oefter. Verwundert sind wir erst, als wir sehen, dass einer der Drei eine AK 47 (im Volksmund besser bekannt als `Kalaschnikow`) mit sich fuehrt. Da die Maenner aber einen sehr freundlichen Eindruck machen, teilen wir unser Essen mit ihnen, was sie sichtlich begeistert. Als wir unsere Runde aufloesen, fragen sie uns per Zeichensprache, ob sie unter dem Vordach des Landy platznehmen duerfen. Wir ueberlegen kurz und lassen sie gewaehren, da wir den Eindruck gewonnen haben, dass von den Dreien keine Gefahr ausgeht. Abgesehen davon sind wir ohne Alternative.
02.08.03 Morgens werden wir `ueberraschenderweise` erneut von den Schweden geweckt, die mal wieder weit vor uns in den Tag gestartet sind. Waehrend wir unsere klammen Sachen zusammenpacken, wird schon heisses Wasser fuer Haferbrei und Tee - fuer das gemeinsame Fruehstueck - gekocht. Der warme Tee weckt dann auch die Lebensgeister. Kurz bevor wir losfahren, kommen auch die drei Maenner des gestrigen Abends wieder und beantragen eine Mitfahrt auf dem Dach des Autos, welche ihnen nach kurzer Ueberlegung auch gestattet wird. Wer streitet sich schon gerne mit jemandem, der eine AK 47 mit sich herumtraegt? Waehrend die Drei also das Dach des Landys entern, fahren wir schon mal los, weil der Wagen uns sowieso einholen wird.
Nicht aussergewoehnlich: Einheimischer mit entsichertem Maschinengewehr
Leider geschieht dieses schneller als uns lieb ist, da Jan einen platten Hinterreifen hat. Der Platz ist natuerlich wie immer wohl gewaehlt, denn es ist alles nass und total verschlammt. Aber der Reifen muss schliesslich gewechselt werden. So machen wir uns froehlich an die Arbeit, denn wenigstens giesst es nicht in Stroemen. Waehrend wir arbeiten, kommt Frederik zu uns und berichtet, dass Karl sich die AK 47 des Aethiopiers angesehen hat und das diese durchgeladen ist. Zunaechst sind wir ein wenig erstaunt, doch Frederick erklaert uns, dass dieses fuer Aethiopier wohl nichts besonderes ist und wir uns zumindest keine Gedanken machen muessen, ob die Jungs irgendwelche boesen Hintergedanken haben. Wie wir spaeter erfahren haben, war diese Einschaetzung auch richtig, denn Maenner wie diese sind so eine Art Polizeiersatz, welche von den Dorfaeltesten bestimmt werden, damit sie sich um Recht und Ordnung kuemmern. Nach unserem kurzem Reifenintermezzo setzten wir die Fahrt gemeinsam mit den Schweden fort, ohne Passagiere auf dem Dach. Leider sind die Stassen wieder sehr schlammig und rutschig, sodass die Schweden immer wieder auf uns warten muessen. Deswegen beschliessen wir, uns zu trennen und vereinbaren, uns im Hotel `Bel Air` in Addis Addeba zu treffen oder, falls wir es nicht rechtzeitig schaffen, unser Gepaeck dort zu deponieren.
So verlassen uns unsere schwedischen Engel und wir sind uns nicht so sicher, ob wir sie in Afrika noch mal wiedersehen werden. Waehrend wir durch den Schlamm eiern oder man koennte fast schon sagen uns durchkaempfen, haelt neben uns ein leerer Truck. Der Fahrer bietet uns an, dass er uns ein Stueck mitnehmen koenne. Nach kurzer Ueberlegung willigen wir ein, denn Christians Roller laeuft so schlecht, dass wir gerade noch so eben vorwaerts kommen. Die naechste Frage ist nun, wie wir die Roller auf die Ladeflaeche bekommen sollen. Doch bevor wir irgendetwas ueberlegt haben, kommen schon mehr als genug Leute, welche Christians Roller nach altbewaehrter afrikanischer Manier (alle in moeglichst verschiedene Richtungen) auf die Ladeflaeche des LKW zerren. Jans Vespa ergeht es natuerlich nicht besser. Waehrenddessen springen und draengeln dann diverse Helfer plus X auf die Ladeflaeche des LKW. Somit ist alles voll mit Menschen und zwei Vespas, was dem Trucker und seinen Beifahrern augenscheinlich nicht gefaellt. Nach fuenf Minuten ist es ihnen dann auch gelungen, die Leute von der Ladeflaeche zu vertreiben. Derweil probieren wir uns bei den Leuten zu bedanken, welche uns geholfen haben. Der Erfolg ist, dass wir von allen bestuerzt werden, uns die 1-Birr Scheine (umgerechnet ca. 11 Cent, dem Benehmen nach ein Vermoegen) aus der Hand gerissen werden und so mancher mit zwei Scheinen abzieht, waehrend andere leer ausgehen.
Nachdem der Trucker fast alle vertrieben hat, fahren wir los, was sich als aeusserst spannend gestaltet, da die Vespas munter hin und her rutschen, weil die Piste ziemlich uneben ist und der Trucker einen heissen Reifen faehrt. So fliegen wir also im Regen auf der rutschigen Ladeflaeche hin und her und versuchen, unsere Roller so gut es geht festzuhalten. Irgendwann liegt Jans Roller auf der Seite und verkeilt Christians gegen die Ladebordwand. Wir nehmen das so hin, da wir jetzt nicht mehr mit den Rollern zu kaempfen haben. Nach 25 Kilometern ist die lustige Fahrt fuer uns zu Ende, weil der Trucker nun nicht mehr Richtung Addis faehrt. Also laden wir die Vespas wieder ab. Dieses Abladen wird uns wohl noch ein wenig in Erinnerung bleiben, da wir Jans Roller auf der Seite liegend ueber die Ladeflaeche schleifen, sehr interessante Geraeusche!, um ihn dann zu dritt die Ladekante herunterzuwuchten. Christians Roller ergeht es ein wenig besser, da dieser ja nicht auf der Seite lag. Als beide Roller wieder auf ihren eigenen Reifen stehen und der Trucker sich nach Entgegennahme von 100 Birr verabschiedet hat, stellen wir mit Ueberraschung fest, dass die Schaeden sich in Grenzen halten. Um uns herum hat sich mal wieder eine Menschentraube gebildet, die alles sehr aufmerksam beobachtet und kommentiert. Als wir die Vespas starten, springen die Leute erschrocken zur Seite und wir koennen unsere Fahrt fortsetzen.
Leider laeuft Christians Roller immer schlechter und kommt kaum noch eine Steigung hoch. Nach wenigen hundert Metern entschliessen wir, diese Vespa noch weiter herunterzuduesen und eine 110er Hauptduese einbauen. Dies war genau die richtige Entscheidung, denn jetzt laeuft Christians Roller wieder. Jan hat Schwierigkeiten hinterher zu kommen, er faehrt allerdings auch noch mit voller Beladung.
Nach 60 Kilometern erreichen wir das Dorf, in welchem die Asphaltstrasse beginnen soll und oh Wunder: es ist wirklich Asphalt. Er ist zwar etwas wellig, aber nach den letzten Tagen ist es fuer uns eine einzige Wohltat. Leider waehrt die Freude nicht lange. Nach drei Kilometern ist es schon wieder vorbei mit der Herrlichkeit und der Schotter hat uns wieder.
Eigentlich zum weinen: die langersehnte Strasse waehrt nur 3000 Meter
Wir freuen uns, dass es wenigstens nicht matschig ist und ergeben uns unserem Schicksal und fahren durch dicksten Nebel, mit maximal 20 Meter Sichtweite. Doch auch der Schotter bleibt uns nicht treu, sondern es wird mal wieder fuer ein Stueck matschig oder es gibt Asphalt oder besser gesagt Ueberreste von Asphalt. Teile der Piste sehen aus wie vom Bombenkratern ueberseht - ein Ueberbleibsel aus dem Buergerkrieg?
Das ist sie: Hauptverkehrsader durch das oestliche Afrika
So fahren wir eher Trial, da es links und rechts hoch und runter geht. Wir duesen eine Passstrasse herunter und auch wieder hoch und uns wir langsam klar, dass wir es heute nicht mehr bis Addis schaffen werden.
Asphalt nur in Fragmenten vorhanden - aber wer fragt schon danach bei dem Ausblick
Trotzdem fahren wir weiter, da wir noch so weit wie moeglich kommen wollen. Die beschriebenen Strasssen bleiben uns bis zum Abend treu und wir nehmen uns ein kleines und sehr einfaches Hotel, weil wir keine Moeglichkeit sehen, irgendwo alleine zu zelten. In unserem Hotel kochen wir dann in Jans Zimmer noch eine Bruehe und gehen auch bald sehr muede ins Bett.
03.08.03 Am fruehen Morgen verlassen wir unser Hotel und freuen uns, dass es nicht erneut regnet. Dafuer ist es ordentlich nebelig, was aber nicht weiter stoert, da die `Asphaltstrasse` immer noch extrem Schlagloch-durchsetzt ist. Also eiern wir im Nebel, wahrscheinlich darf man in 3200 Meter Hoehe auch schon von Wolken sprechen, durch eine sehr schoene und ruhige Gegend. Das liegt wohl daran, dass die meisten Menschen noch schlafen. Aber Rollerfahren ohne das `you you you`-Konzert ist auch mal ganz schoen... Ca. 170km vor Addis beginnt dann wirklich eine Asphaltstrasse, die ihren Namen auch verdient.
Jan kuesst freiwillig den Asphalt (Mitte im Bild)
Sie ist spiegelglatt und wir koennen unser Glueck kaum fassen. Damit wir uns nicht zu sehr freuen, beginnt es erst einmal ordentlich zu regnen, aber wirklich geschockt ist davon keiner der beiden anwesenden Rollerfahrer. Auf unserem Weg begegnet uns noch ein Fahrradfahrer, der augenscheinlich auf dem Weg Richtung Norden ist. Im nachhinein machen wir uns fast Vorwuerfe, dass wir ihn nicht vorgewarnt haben. Kurz vor Addis haben wir dann noch einen medizinischen Notfall, als Christian eine Biene ins Gesicht fliegt und ihn sticht, doch auch dieses vermag uns nicht zu stoppen. So kommen wir gegen Mittag in Addis Addeba -der Hauptstadt Aethiopiens- an und steuern zunaechst einmal das Hilton an, da einer der beiden Protagonisten auf ein Zimmer dieser Kategorie besteht. Dort werden wir von einem Roemer angesprochen, der fuer die EU arbeitet und seine BMW 1150 GS aufgrund der schlechten Strassenlage in Aethiopien zu Hause gelassen hat...
Nachdem Christian eingescheckt hat, machen wir uns auf den Weg zum Travelar-Hotel `Bel Air`, um Christians Gepaeck abzuholen, welches die Schweden dort fuer uns deponiert haben. Ausserdem gilt es noch fuer Jan eine Schlafstaette zu finden. Ueberraschenderweise klappt es mit unserem Gepaeck auf Anhieb und so koennen wir uns auf die Hotelsuche begeben. Fuendig werden wir dann ca. 5 min von Christians Hotel entfernt. Nach 1000 Kilometern ohne Strasse trennen sich die Wege fuer kurze Zeit.
04.-07.08.03 In Addis lecken wir unsere Wunden. Die Klamotten sind samt und sonders versifft und mit Schlamm bedeckt. Zwecks Reinigung lassen wir etliche Kilo Matsch in den Baedern unserer Hotels die Rohre runtergehen - Jan hat promt eine Verstopfung im Bathroom.
Mann...
Es dauert geschlagene zwei Tage, bis wir die Sachen vom Lehm befreit haben. Christian geniesst den Pool und die geistigen Getraenke im Hilton, welches trotz des guten Names eine afrikanische Ausgabe bleibt (Standard nicht ganz so dekadent). Wie in diesem Land ueblich erregen wir auch in der Hauptstadt grosses Aufsehen, und auf dem Parkplatz seines Hotels wird Christian dann von ranghohen Diplomaten (Kfz.-CC-Kennzeichen '2' und '3') ueber die Reise ausgefragt. Ein Regierungsvertreter aus Kenia will die Vespa kaufen, aber da ist er nicht der Erste. Wir unterhalten uns ueber die wirtschaftliche und politische Gesamtsituation in der Region - die Beamten erscheinen da ganz relaxt und ein bisschen desillusioniert. Entgegen sonst ueblicher Gewohnheiten darf Christian sogar ein Foto von den Limousinen samt Fahreren machen. Die CC's wollen ob ihrer Aussagen lieber nicht mit aufs Foto...
Diplomatischer Corps
Wir sehen uns Aethiopiens Hauptstadt an und bringen diese Seiten im Mini-Internetcafe des Honda XR 600 Fahrers Salem auf den aktuellen Stand. Der Chef hilft Jan auch bei der Besorgung einer neuen Regenhose (aus Plastik im Militarylook). Die Beschaffung eines neuen Nierengurtes ist allerdings mangels Masse ausgeschlossen. Salem hat einige Jahre in Seattle/Washington State (USA) gelebt und verzweifelt regelmaessig an den Zustaenden in seinem Heimatland. Eine Vergroesserung seines Cafes (2 PC's) wird seitens des staatlichen Hotels blockiert, auf dessen Hof er sitzt; regelmaessig gibt es keinen Strom; die Telefonleitungen sind mies und fallen bei Regen komplett aus ('die stattliche Telefongesellschaft riet, bei Feuchtigkeit nicht zu telefonieren - wie auch? Dabei ist das Problem laengst lokalisiert: ein ganz bestimmter Verteilerkasten ist defekt isoliert); die analoge Daten-/Telefonleitung ist grottenlangsam und zu Spitzenzeiten ungeniessbar; eine zweite Telefonleitung wurde vor Jahren beantragt usw usw.. Hier ist ein Unternehmer ein Abenteurer...
Ein Hotelmanager erzaehlt Christian von den einigen Hintergruenden der wirtschaftlichen und politischen Missere in seinem Land. Der Buergerkrieg Anfang der Neunziger hat das Land nicht nur finanziell endgueltig ausgeblutet. Eritrianer waren auch die Haupttraeger der erfolgreichen Unternehmen in dem Land, und nach deren Flucht verfiel die in diesem Jahr erneut von einer Hungersnot geplagte Region in voellige Lethargie. Ausserdem haetten die fuehrenden Koepfe beider Laender noch zu Beduinenzeiten gemeinsam wie Brueder gelebt, um jetzt um keinen Preis der Welt auch nur miteinander zu reden. Die Regierung ist an Investionen seitens auslaendischer Unternehmen wenig interessiert, um nicht einen Bruchteil ihrer Machtfuelle abgeben zu muessen. So darbt dieser Staat von sich hin. Der Norden wird trotz halbwegs guter Agrarmoeglichkeiten (zumindest waehrend der Regenzeit 2x im Jahr) weiterhin viele Tote aufgrund von Unterernaehrung beklagen - das sei 'Naturgesetz' und immer wieder das gleiche. Ein so lethargisches Volk haben wir noch nie erlebt.
Blick aus dem Hilton - direkt auf die Slums
Zu guter Letzt muessen wir einen Tag laenger bleiben als geplant. Christian plagen Magenkraempfe, und auch aus dem Nachbarzimmer im Hotel kommen von unbekannter Seite Wuergegeraeusche herueber... lag es am gestrigen Bueffet?
Ausser der Reihe noch ein kleiner Schwank aus Jordanien, ueber den wir zu berichten vergessen hatten: dort wird es mit Sicherheit nie einen VC oder SC geben. Weil... es ist verboten (!), privat ein Motorrad oder auch nur Mofa zu fahren. Lediglich Polizei, Militaer, der koenigliche Garde und ganz wenigen Unternehmen mit Sondergenehmigung ist solches gestattet. Waehrend sich im Nachbarland Syrien die Zweiraeder zuhauf tummelten, waren wir im Koenigreich fast die einzigen Mopedfahrer auf der Strasse gewesen - entsprechend gross die Aufmerksamkeit. Platz da, wir kommen!
08.08.03 Am fruehen Vormittag starten wir gen Sueden. Die Strassen sind erneut geteert, eine Wohltat fuer Fahrer und Maschine. Natuerlich regnet es, natuerlich laufen ueberall Menschen, Schaafe und Kuehe auf der Strasse herum. Gelegentlich liegt ein totes Pferd oder ein toter Hund auf der Fahrbahn, an beiseite raeumen denkt hier niemand. Wir machen ein Foto von einer halbverwesten Kuh, welche am Strassenrand von Hunden und Geiern ausgeschlachtet wird.
Angenehmer ist da schon das erste Mittelklassehotel seit Aegypten, welches wir in Awshas entdecken. Fuer umgerechnet 10 Dollar gibt es europaeisch eingerichtete Raeume, es ist total sauber, es gibt richtige Betten (sogar mit Moskitonetz) und ein anstaendiges Restaurant. Und ausnahmsweise keine Hochzeit am Platz...
09.08.03 Frueh morgens geht es weiter. Der Routenverlauf ist angenehm abwechselnd. In einem Cafe schenkt uns ein Fremder einen 'Gluecksstein', waehrend uns ein offensichtlich etwas Verrueckter beschimpft. Von der bedrohlich wirkenden Situation laesst sich jedoch keiner anstecken, sodass wir auch diesen Ort sicher verlassen. Kurz darauf fahren wir ploetzlich ca. 10 Kilometer durch einen Nadelwald. Wenig spaeter wird die Umgebung langsam so, so wie man sich das suedliche Afrika vorstellt. Exotische Gewaechse, die ersten Affen laufen vor uns ueber die Strasse. Wir sehen Dingi Dingis und kaufen Ananas am Strassenrand - reif und saftig. Die Vespas werden wieder etwas abgeduest (Jan auf 114er, Christian auf 112er), schliesslich verlassen wir langsam das Hochland.
Entgegen unserer sonst ueblichen Maxime (Empfehlung in allen Afrikafuehrern: Niemals nachts fahren) sind wir bis in die Dunkelheit unterwegs. Waehrend eines kurzen Stops geniessen wir einen spektakulaeren Sonnenuntergang. Unser Reisefuehrer beschreibt die naechste groessere 'Stadt' Mega als mit Infrastruktur ausgestattet... dem koennen wir uns nicht anschliessen. Es gibt ein grausames Hotel mit angeschlossener Bar (3 versiffte Whiskyflaschen) und vermutetem Bordellbetrieb. Ueber Stock und Stein verbringen wir die Mopeds in den kleinen Innenhof und schaffen fast alle Klamotten in das dreckige Zimmer. Christian schlaeft nach Auslosung auf dem Fussboden, die halbe Nacht haemmert laute Musik aus der Bar.
10.08.03 Statt Vogelzwischern weckt uns der Laerm, welcher bereits zu frueher Stunde aus der Bar schallt. Unter Beobachtung der Anwesenden ‘Hotel'-Gaeste und Mitarbeiter bereiten wir die Abreise vor. Eine junge Dame bietet sich freundlicherweise an, mit uns gleich bis nach Deutschland zu fahren. Ein Angebot, dass wir auf mehr oder weniger charmante Weise abbiegen muessen. Nebel und Regen veranlassen uns zur zuegigen Fahrt an die kenianische Grenze. Im Grenzort Moyale bieten sich ein unerwartetes Bild: auf aethiopischer Seite vier grosse, neue Tankstellen, und eine weitere im Bau. Spaeter sehen wir im viel reicheren kenianischen Moyale lediglich zwei voellig verfallene Zapfsaeulen... der genaue Grund dafuer wird sich uns erst spaeter erschliessen. Die Grenzabfertigung verlaeuft zuegig, die Kenianer werfen nicht einmal einen Blick auf unsere Nummernschilder. Eine italienische Reisegruppe in Jeeps hat es da schon schlechter: bei ihren Mietwagen fehlt ein Dokument, ein Umstand, welcher sie seit dem fruehen Morgen an der Zollstation festhaelt.
Die nun vor uns liegende Route gilt als gefaehrlichster Teil unserer Reise (‘staendig Ueberfaelle, fast immer mit Todesfolge'; Zitat aus ‘Durch Afrika', Reise-Know-how-Verlag, Auflage 2003). Entsprechend den allgemeinen Empfehlungen versuchen wir daher, uns einem bewaffneten Konvoi anzuschliessen. Doch die Grenzsoldaten winken ebenso wie die oertlichen Polizisten ab. Seit mindestens einem halben Jahr sei nichts mehr passiert, es sei zu 99 Prozent sicher, ausserdem koenne auf unseren Vespas kein Beamter mitfahren etc. etc. Etwas verunsichert, beschliessen wir mangels Alternativen, das Risiko einzugehen und auf die als Knochenbrecherpiste bekannte Strecke zu starten. Und tatsaechlich ist die Route nicht ganz ohne, doch trotz Christians erstem platten Reifen (aufgrund des steinigen und loechrigen Weges geplatzt!) sind wir uns einig: Aethiopien war teilweise bedeutend aufreibender. Gegen spaeten Nachmittag erreichen wir den Aussenbezirk von Sololo -wegen seiner Lage auch ‘Sololo am Weg' genannt-, einem Dorf ohne Strom und Infrastruktur, allerdings mit einer oeffentlichen Telefonzelle. Um das Risiko eines Camps in dieser unsicheren Gegend zu umgehen, wollen wir hier uebernachten. Und haben Glueck: wir sprechen ausgerechnet den Chief des Dorfes an, welcher die Reisenden ohne Umschweife zum Zelten auf seinem Grundstueck einlaedt. Er entpuppt sich als sehr gebildeter und hoeflicher Mensch, welcher u.a. die Funktionen des Polizeichefs und Buergermeisters innehaelt. Seine Gastfreundschaft ist beeindruckend, und wir verbringen mehrere Stunden im gemeinsamen Gespraech. Er erzaehlt uns ueber das Leben und die Strukturen in dieser Region. Die Sicherheitslage habe sich enorm verbessert, seit die Zentralregierung Vertrauensleute wie ihn ausgesucht und zum Chef eines Bezirkes erklaert hat. Brahim Abdi Dido, so sein voller Name, pflegt die persoenlichen Kontakte zu den Buergern und ist Seelsorger und Staatsmacht in einem. Aus unserer Sicht qualifizieren ihn seine ausgleichende, ruhige und trotzdem ordnende Hand in aussergewoehnlicher Weise fuer diesen Job. Um den recht mittellosen Menschen hier wenigstens etwas helfen zu koennen, uebergeben wir dem Chief eine Grosspackung Asperin. Die Arznei ist in grossen Teilen Afrika sehr begehrt, weshalb Christian hier einige Chargen aus den Vereinigten Staaten besorgt hatte.
Als Herr Dido von einem Motorradfahrer erzaehlt, welcher sich vor ca. einem Jahr auf der Piste bei einem Sturz ein Bein gebrochen hatte, ist die Ueberraschung insbesondere bei unserem Fernreisespezi Jan gross: der Chief hat seinerzeit den bekannten Buchautor Ted Simons und dessen Motorrad beherbergt und seine An- und Rueckreise in das Krankenhaus von Nairobi organisiert. Simons hat bereits in den fruehen Siebzigern Afrika per Motorrad durchquert und seine Reisen publiziert. Wie wir von Herrn Dido erfahren, musste Ted seine Weiterreise aufgrund des Unfalls leider aufgeben und nach UK zurueckkehren. Wer mehr ueber Ted und seine zahllosen Mopedreisen wissen moechte, gehe nach www.jupitalia.com.
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